Die Büchermacherei-Anthologie
- Laurin Lenschow
- 3. Sept. 2022
- 2 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 25. Sept. 2022

Es gibt jährlich rund 1200 Literaturwettbewerbe in Deutschland, das sind mehr, als in jedem anderen europäischen Land. Aufgrund gewisser literarischer Ambitionen recherchiere ich ab und zu, was es so gibt, und möchte die interessantesten Ergebnisse meiner Nachforschungen hier präsentieren.
Da gäbe es zum Beispiel das „Goldene Kleeblatt gegen Gewalt 2018“, das einlädt, eine „kurze Phantasiegeschichte zu schreiben, die ein Aufeinandertreffen von Menschen mit einer ihr überlegenen Zivilisation auf deren Heimatplaneten zum Inhalt hat.“ Ganz abgesehen davon, dass es „Aufeinandertreffen von Menschen mit einer ihnen überlegenen Zivilisation“ heißen müsste, nimmt das Goldene Kleeblatt auch noch ein anderes Fettnäpfchen mit, denn „eingeladen zur Teilnahme an diesem Literaturpreisausschreiben sind vor allem Burgenländerinnen und Burgenländer, grundsätzlich aber alle Menschen […].“ Im Versuch, hier besonders gendergerecht vorzugehen werden sämtliche, uns überlegenen Zivilisationen von der Teilnahme am Wettbewerb ausgeschlossen, nur, weil sie zufällig wo anders geboren wurden – aber gut, wenn die uns ohnehin überlegen sind, wäre das wahrscheinlich ungerechte Gleichmacherei, das kann man ja auch nicht zulassen.
Geschichten über Aliens verlangt auch der Eridanus-Verlag, genauer gesagt erotische Science-Fiction-Geschichten über die körperlichen Beziehungen von Menschen mit ausdrücklich nicht humanoiden Aliens; auf der Website des Verlages ist auch von gasförmigen Wesen mit Tentakeln die Rede… ich glaube hier bedarf es keines weiteren Kommentars.
Auch keinen Kommentar benötigt der 12. Literaturpreis Nordost, bei dem man einen zweiwöchigen Schreibaufenthalt in der Prignitz bei Kyritz an der Knatter mitsamt einem Kamingespräch mit den Lektoren Obst & Ohlerich gewinnen kann.
Dann gibt es noch die Wettbewerbe, deren Veranstalter sich für eine etwas unglückliche Wort- oder Themenwahl entschieden haben, zum Beispiel den Ü70-Schreibwettbewerb, der um, selbstverständlich nur von Senioren geschriebene, Kurzgeschichten zum Thema „Augenblick“ bittet. …weil man sich in dem Alter sinnvollerweise nicht mehr an größere Projekte wagen sollte - bleibt wahrscheinlich eh unvollendet liegen, oder wie? Makaber? Bestimmt nicht.
Zum Schluss möchte ich noch den „Alpen-Award“ erwähnen, der um Songtexte zum Thema „Alpen meets modern“ bittet, wobei der Gewinner ein Preisgeld in Höhe von 10.000 Euro erhält – der Veranstalter „Alpenwahnsinn“ wird seinem Namen also durchaus gerecht; genauso wie die Stiftung „Zurückgeben“, bei der ich mir bis heute nicht sicher bin, ob man dort überhaupt etwas einsenden sollte.
Es gibt jährlich rund 1200 Literaturwettbewerbe in Deutschland. Da ist wirklich für jeden etwas dabei; um jedoch an allen teilnehmen zu können, müsste man eine jugendliche über 70-jährige Frau mit jüdischen Vorfahren und Publikationserfahrungen im nicht deutschsprachigen Ausland sein, deren Biographie Bezüge zur Mecklenburgischen Seenplatte erkennen lässt und die Science-Fiction-Regionalkrimis mit homosexuellen Protagonisten über das Burgenland, die Alpen und den Weltraum schreibt. Ob man das wirklich alles braucht, muss wohl jeder für sich selbst entscheiden. Ich jedenfalls bin am Ende meines Berichts angekommen und werde diese „Geschichte“ wahrscheinlich der „Büchermacherei-Anthologie“ schicken, die braucht noch Geschichten zum Thema „Jetzt ist Feierabend“.
Nachsatz: Alle genannten Wettbewerbe, Verlage und Stiftungen existieren tatsächlich, die Zitate sind echt.
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